Gliederung der Abteilung: Stab, 1. (Reiter-) Schwadron, 2. (Radfahr-) Schwadron, 3. (schwere) Schwadron
Wie im Mobilmachungsfall vorgesehen stellten die einzelnen Kavallerie-Regimenter der Deutschen Wehrmacht
"Aufklärungs-Abteilungen" (A.A. bzw. AA) für die einzelnen Infanterie-Divisionen auf.
Im Wehrkreis V (Stuttgart) waren dies bei der Mobilmachung vier Aufklärungs-Abteilungen der 1. Welle (5., 25., 35. ID) und der 2. Welle (78. ID) und eine Ersatz-Abteilung.
Die Benennung der Abteilungen waren, hier bei der 35. Division "Aufklärungs-Abteilung der 35. Infanterie-Division".
Jedoch wurde schon bald nach Kriegsbeginn die Abteilungen aus Tarnungsgründen und im internen Sprachgebrauch mit dem
Namen des jeweiligen Abteilungskommandeur bezeichenet,
hier mit der Bezeichnung "A.A. Putt" (nach dem Abteilungs-Kommandeur Freiherr von Puttkammer),
schließlich zu Beginn des Russlandfeldzugs nach dem neuen Kommandeur "A.A. Wittgenstein".
Diese "Tarnbezeichnungen" finden sich noch bis Ende des Jahres 1942.
Diese Seiten (17, 18 und 19) sind aus dem "Gelben Heft 1961" (Nr. 2) entnommen und zeigen die Stellenbesetzung der A.A. 35
bei der Mobilmachung auf.
Im "Gelben Heft 1964" (Nr. 3) wird die Geschichte der A.A. 35 ab der Mobilmachung 1939 bis 1. August 1940 vom damaligen
Oberleutnant Nübling erzählt und anschließend so wiedergegeben.
Nähere Informationen sind über die E-Mail Adresse möglich
Mit der Aufklärungsabteilung 35 im Westen - 25. August 1939 - 1. August 1940
Am 25.08.1939 ist man sich in den Kasernen des Regiments klar darüber, dass die Mobilmachung nur noch eine Frage von
Stunden sein würde. Die außenpolitischen Spannungen waren in den letzten Wochen von Tag zu Tag gewachsen, die Meldungen
hatten sich überschlagen, gebannt und bange sah man von mal zu mal den neuesten Nachrichten entgegen. Nun musste die
Entscheidung fallen.
Für den Chronisten bedeuteten die letzten Wochen noch eine Belastung besonderer Art; war er doch als junger Leutnant
der einzige Offizier, der in der Reiterkaserne auf dem Hallschlag zurückgeblieben war, während das Regiment auf dem
Übungsplatz in Königsbrück weilte. Lag nicht hinter der Wahl dieses Übungsplatzes, soweit im Nordosten und so nahe dem
Brandherd, eine ganz bestimmte Absicht? Würde das Regiment nochmals zu seinem Standort zurückkehren, wenn es je ernst
werden würde? Und danach sah es doch wirklich aus. Zu seiner Freude und Beruhigung waren aber die Schwadronen wieder
zurückgekommen, mit ihnen freilich allerlei Gerüchte. Es konnte doch diesmal nicht gutgehen! Gab es denn für die Politiker
überhaupt noch ein Zurück?
Trotzdem, die Urlaubszeit hatte begonnen. Einige Glückliche hatten, mit dem Urlaubsschein in der Tasche, ihren Standort
bereits verlassen. Da trifft - fast wie eine Erlösung - der Mobilmachungsbefehl ein. Die Mob.-Offiziere stürzen zu den
Panzerschränken, die geheimen Kommandosachen werden geöffnet, der Mob.-Kalender beginnt abzurollen, präzise und unaufhaltsam,
gleich einem Uhrwerk. In den Kasernen in Cannstatt, in Stuttgart und in Bruchsal wimmelt es wie in einem Ameisenhaufen.
Die Mob.-Verbände treten zusammen: AA 5, AA 25, AA 35, die Aufklärungsabteilungen der aktiven Divisionen sollen als
erste in Y + X Stunden marschbereit sein. Für die AA 35 bedeutet dieses X = 12 Stunden, also die frühen Morgenstunden
des 26. August 1939. 7.30 Uhr werden die Radfahr-Schwadron und der überwiegende Teil der Reiter-Schwadron in Untertürkheim
verladen. Der Rest folgt in einem zweiten Transport 10.30 Uhr. Um 8.00 Uhr treten Stab- und schwere Schwadron von Bruchsal
aus zum Landmarsch an. Wohin wird die Reise wohl gehen? Das Endziel ist allen noch unbekannt; der Kommandeur und
die Transportführer kennen nur die erste Etappe.
Es dauert denn auch fast 24 Stunden, bis sich die Abteilung - aus Geheimhaltungsgründen auf Umwegen - in Durlach zusammenfindet.
Ihre Gliederung ist folgende:
Stab und Nachrichtenzug
Kommandeur: Oberstleutnant Freiherr von Wechmar, Adjutant Oblt. Budenbender, Nachrichtenzugführer Lt. Stiefel
1. (Reiter-) Schwadron - Rittmeister Prinz zu Wittgenstein
2. (Radfahr-) Schwadron - Rittmeister Fürst von Urach
3. (schwere) Schwadron - Rittmeister Bacherer
Die ersten Tage in Durlach sind dem Zusammenspiel der jungen Abteilung sowie der Verbindungsaufnahme mit vorgesetzten
Dienststellen und Nachbareinheiten gewidmet. Noch geht vieles klamm und mit viel Reibung, aber bald fühlt man sich
zusammengehörig. Erkundungsfahrten an die noch ruhige "Front", Übungen im Gefechtsdienst, Probeübersetzen über den Rhein
u. a. schweißen die Truppe zusammen.
Als am l. September 1939 der Polenfeldzug beginnt und am 3.September England und Frankreich Deutschland den Krieg erklären,
ist die Abteilung schon ein geschlossenes Ganzes geworden. Die Tage vergehen im Fluge. Offizier und Mannschaften sind
in der neuen Garnison schnell heimisch geworden. Auch die Bevölkerung findet Gefallen an ihren Soldaten. Vom Ernst des
Krieges ist nicht viel zu spüren, man fühlt sich zurückversetzt in die Zeit ein Jahr zuvor, als mancher schon einmal
mit den Schnakensümpfen des Oberrheins Bekanntschaft machte. Freilich, ein klein wenig Unbehagen vor dem Kommenden macht
sich bei jedem immer einmal wieder bemerkbar. Der Feind, den wir drüben über dem Rhein und bei mehreren Erkundungsfahrten
und Einsatzübungen in Feld- und Bunkerstellungen bei seinen Vorbereitungen beobachten, sieht nicht so aus, als ob er
Spaß machen wollte. Und es fallen doch schon scharfe Schüsse. Der erste französische Luftaufklärer wird über Durlach
abgeschossen. Es ist also doch Krieg!
Am 9. Oktober verlässt die Division ihren Abschnitt am Oberrhein. Die Abteilung wird in den Orten Serres und Iptingen
für den Abtransport bereitgestellt. Doch es vergehen noch Wochen, ehe aus dem weiten Sprung nach Norden Wirklichkeit wird.
Erst in den letzten Oktobertagen sammelt sich die Abteilung in Hitdorf, nördlich Köln, auf rechtsrheinischer Seite.
Die Quartiere sind bestens, die Bevölkerung ist ausgesprochen soldatenfreundlich. Freilich ist die Freude nur von
kurzer Dauer, schon eine knappe Woche später setzt nächtens die gesamte Abteilung mit der Fähre über den an dieser Stelle
schon sehr breiten Rheinstrom.
Behalten die Gerüchte diesmal Recht, die davon sprechen, dass es nun an der Westfront operativ losgehen werde?
Noch in der Nacht werden die Befehle für den Weitermarsch gestoppt. Die Abteilung zieht unter, wo sie sich gerade befindet.
Es gibt aber nur Massenquartiere, und die sind schlecht: für Stab und Radfahr-Schwadron in Langel, für die Reiter-Schwadron
und die schwere Schwadron in Fühlingen. Ausdrücklich heißt es diesmal, man habe sich auf längere Zeit einzurichten.
Mit Wehmut gedenken Offizier und Mann und wohl auch die Pferde der warmen Pfründe jenseits des Rheins.
So geht der November ins Land. Solange das Wetter gnädig bleibt, wird eifrig Gefechtsausbildung betrieben. Die Abteilung
übt erstmals im Rahmen der verstärkten AA: zu den drei Schwadronen treten Pionierkompanie, Panzerjägerkompanie und Batterie.
Als aber Anfang Dezember der Winter seinen Einzug hält, ist für die Reiter-Schwadron im ehemaligen Rennstall Oppenheim
in Fühlingen des Bleibens nicht mehr. Heftige, tagelange Regengüsse lassen die Pferde in den abbruchreifen Gebäuden
bis zum Bauche im Wasser stehen. In den Stallen der Köln-Meerheimer Rennbahn werden trockene, winterfeste Quartiere gefunden.
In jenen Tagen trifft, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, bei der Abteilung die Nachricht ein, dass ihr Kommandeur,
Oberstleutnant Freiherr von Wechmar, als IIa in den Stab der Heeresgruppe A versetzt ist.
Der Abschied ist für alle Teile schmerzlich. Wenige Tage später tritt als neuer Kommandeur, vom Westwalleinsatz bei
Saarbrücken kommend, Rittmeister von Puttkamer, seither Führer der Reiter-Schwadron bei der AA 6, an seine Stelle.
Das erste Kriegsweihnachten geht ins Land, Die Einheiten feiern es in ihren Unterkünften: Stab, Nachrichtenzug und die
Reiter-Schwadron in Meerheim, die Radfahr-Schwadron in Langel, die schwere Schwadron in Fühlingen.
Aber noch vor Jahresende marschiert die Abteilung nächtlicherweile wieder. Es geht westwärts, näher der Grenze zu.
Bitterkalt ist es, die Straße spiegelblank. Reiter und Radfahrer gehen lieber zu Fuß, um nicht die Füße zu erfrieren.
Nach kurzer Zwischenunterkunft findet die verstärkte Abteilung ihren neuen Unterkunftsraum in Siersdorf-Setterich,
Loverich, Bettendorf.
Die Ausbildung läuft auf hohen Touren. Geübt wird grundsätzlich im Rahmen der verstärkten Abteilung. Die erste große
Gefechtsaufgabe im Ernstfall wird bekannt: die Abteilung soll als Vorausabteilung der Division die Übergänge über den
Juliana-Kanal, die Maas und den Maas-Schelde-Kanal in die Hand nehmen, Brückensprengungen verhindern und die Übergänge
für die Division offen zu halten.
Durch Planspiele an Karte und Sandkasten werden alle mit Führungsaufgaben Beauftragte bis herab zum Unteroffizier in
die Einzelheiten der ihnen zufallenden Aufgabe eingeweiht.
Noch einmal geht es mit der ganzen Abteilung einen Schritt nach Westen. Ende des Monats Januar 1940 zieht die ganze
Abteilung im Raume von Alsdorf unter. Hier bleibt sie, eifrig sich auf das Kommende vorbereitend, bis am
9. Mai nachmittags mitten in einen Geländeritt der Reiter-Schwadron hinein der Alarmbefehl kommt. Am 10. Mai, 0.45 Uhr steht
die verstärkte AA 35 in Aisdorf abmarschbereit, um 3.00 Uhr wird abmarschiert, 5.35 Uhr, zusammen mit dem ganzen deutschen
West-Heer, überschreitet sie bei Herzogenrath die holländische Grenze.
Alles verläuft planmäßig, wie es oft an Karte und Sandkasten geübt. Die Abteilung ist weit auseinander gezogen und zum
Vormarsch gegliedert. Zügig, nur bei geringem Feindwiderstand, erreicht sie gegen 7.00 Uhr die Linie Glimmen-Geuletal.
Hier befindet sich eine bekannte Widerstandslinie mit Kampfständen. Die Abteilung steht damit vor ihrer ersten großen
Gefechtsaufgabe in Feindesland.
Die Brücke über den Juliana-Kanal in Bunde ist schon seit Stunden gesprengt. Der Kanal wird aber nach kurzem Gefecht
auf Schlauchbooten überschritten. Um 10.00 Uhr haben die ersten Teile der Radfahr-Schwadron die Maas erreicht.
Auch sie ist von der Masse der Abteilung mit Schlauchbooten in wenigen Stunden überwunden. Inzwischen sind um die
Kampfstände am Maas-Schelde-Kanal heiße Kämpfe entbrannt. 16.00 Uhr tritt die verstärkte Abteilung nach Bereitstellung
geschlossen zum Angriff an. Um 18.00 Uhr gelingt es der Reiter-Schwadron unter Einsatz von Pak u. s.MG, die von der
Kanalböschung aus in direktem Beschuss und auf nächste Entfernung auf einen gegenüberliegenden Kampfstand wirken,
den Übergang über den Maas-Schelde-Kanal zu erzwingen.
Der erste Kampftag des Westfeldzuges verläuft somit für die AA denkbar erfolgreich. Bei geringsten eigenen Verlusten
gelingt es ihr, Juliana-Kanal, Maas und Maas-Scheide-Kanal mit ihren Befestigungen zu überwinden und damit das gesteckte
Angriffsziel zu erreichen. Teile der Reiter-Schwadron mit ihrem Chef Rittmeister Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg
an der Spitze sind die ersten deutschen Soldaten jenseits der drei Wasserläufe; noch am Abend dieses denkwürdigen Tages
stehen sie am Albert-Kanal und damit an der belgischen Grenze.
Die Division hatte mit einem solch schnellen Vordringen der kämpfenden Teile der AA freilich nicht gerechnet und daher
die Einschleusung der Handpferde, Fahrräder und mot.-Fahrzeuge bei den Brückenübergängen nicht entsprechend frühzeitig vorgesehen.
So kommt es, dass die Abteilung zunächst untätig verharrt und erst im Laufe des 12. Mai ihren Vormarsch fortsetzen kann,
vorerst freilich noch eingekeilt zwischen die nachrückende Division und die erst am Jette-Abschnitt, später von der Dyle-Stellung
festliegenden Panzerverbände. Der Einsatz bleibt daher beschränkt auf rege Spähtrupptätigkeit. Bewegungsfreiheit nach
vorne gewinnt die Abteilung erst, als der Feind die Dyle-Stellung räumt und die Division zur Verfolgung des weichenden Gegners ansetzt.
Noch am Abend des 16. Mai gerät sie nach Überschreiten der Straße Genappes-Les Quatre-Bras bei Banterlez in Gefechtsberührung
mit starken französischen Panzernachhuten. Der Zusammenstoß kommt so überraschend, dass keine Zeit zu gefechtsmäßiger
Entfaltung bleibt. Der Panzerspähtrupp prallt in einem Hohlweg auf französische Panzer. Die leichten Spähwagen sind
ihrem Gegner bei weitem unterlegen. Der Spähtruppführer, Leutnant Schlüter, und sein Fahrer retten sich in letzter
Sekunde aus ihrem brennenden Fahrzeug. Die Reiter-Schwadron, welche an diesem Tage als Vorhut marschiert, erwischt es
am Ortsrand. Der Feind stößt, aus allen Rohren schießend, mitten in die Marschkolonne. Schwadronstrupp und vorderster
Zug werden abgetrennt und eingekesselt; sie haben schwere und schmerzliche Verluste an Reitern und Pferden. Es blieb kaum
Zeit zum Absitzen. Das Gros der Schwadron findet gerade noch Deckung im Dorf. Die beiden zugeteilten 3,7 Pak sind zwar
im Augenblick in Stellung können aber dem teils schwer gepanzerten Gegner gegenüber zunächst nur wenig ausrichten,
da die Geschosse nicht durchschlagen. Nur mittels Abprallern ist den Ungetümen von der Bauchseite her beizukommen.
Beide Bedienungsmannschaften opfern sich auf, ehe es gelingt, den Gegner nach Verlust von 4 leichten und l schweren
Kampfwagen zum Abdrehen zu zwingen. Einen weiteren schweren Kampfwagen setzt im Nahkampf Rittmeister Prinz zu Wittgenstein
ersönlich außer Gefecht.
Das Gefecht von Banterlez ist allen Beteiligten als für damalige Begriffe besonders schwer und blutig sicher in besonderer
Erinnerung geblieben; denken wird mancher auch noch an die Nacht danach, in der unversehens und nichts ahnend 60 französische
Panzer mitten durch die rechts und links der Straße in den Gehöften untergezogene Abteilung hindurch fahren.
Was für die Reiter-Schwadron Banterlez, ist für die Radfahr-Schwadron am Tage danach der Kampf um die Brücke über die
Bruxelle bei Chateau de la Rocqu. Der Schwadron unter Führung von Rittmeister Fürst von Urach, gelingt es zwar gegen
Abend die Brücke im Sturm zu nehmen; die Überwindung des gleich dahinter verlaufenden, breiten Kanals, dessen Übergänge gesprengt
sind, scheitert aber ohne Übersetzgerät und ohne Unterstützung durch schwere Waffen. So liegt die Schwadron stundenlang in nahezu
deckungslosem Gelände einem wohlgetarnten und in den Steilhang des Tales eingebautem, von Artillerie und Scharfschützen
gut unterstützten Gegner gegenüber.
Auch sie hat schmerzliche Verluste zu beklagen. Erst die völlige Dunkelheit ermöglicht ein Herauslösen; die Division
will den Übergang an anderer Stelle erzwingen.
Am 19. Mai geht die Abteilung bei Tongres Notre Dames über die Ath; voraus entsandte Spähtrupps hatten keine Feindbesetzung
feststellen können. Nur die Brücken sind sämtlich gesprengt. Der Pionier-Zug baut eine Behelfsbrücke, die auch der
nachfolgenden Division den zügigen Weitermarsch ermöglicht.
Nächstes Sprungziel ist die Scheide. Die Spähtrupps melden starke Feindbesetzung. Alle Brücken sind zerstört. Da mit
heftiger Gegenwehr gerechnet wird - zum erstenmal liegen Engländer gegenüber - stellt sich die Division zu planmäßigem
Angriff bereit. Das Korps führt zur Unterstützung schwere Waffen zu. Die Abteilung bleibt Divisionsreserve und hat nach
10 Einsatztagen ihren ersten Ruhetag.
Obwohl den Angriffen der Division am 21. und 22. Mai kein Erfolg beschieden ist, räumt der Feind am 23. die Stellung.
Der Vormarsch kommt wieder ins Rollen. Solange noch die Pionier-Kompanie bei Antoing eine Brücke schlägt, geht die
Abteilung mit Teilen in Schlauchbooten über den Fluss.
Ihre Spähtrupps streben der belgisch-französischen Grenze zu; ihr entlang hat sich der Feind festgesetzt. Einzelnen
Spähtrupps gelingt es dabei im Schutze der Abenddämmerung bis in die rückwärtigen Artilleriestellungen vorzudringen.
Man hält sie für eigene Truppe und lässt sie ungeschoren.
Zur Abwechslung fällt der Abteilung in den nächsten Tagen (24.-27. Mai) eine ausgesprochene Verteidigungsaufgabe zu.
Zunächst gilt es, bei Templeuve die rechte Flanke der Division zu schützen, später bei Leers-Nord und Nechin das Herauslösen
einer ganzen Division aus diesem Frontabschnitt zu verschleiern und deren seitherigen Verteidigungsabschnitt mit zu
übernehmen. Es sind kritische Tage, zumal für die Abteilungsführung: sie weiß um die eigene Schwäche und um die Notwendigkeit,
unter allen Umständen halten zu müssen. Aber der Feind, der der Abteilung auf 800-900 m gegenüberliegt, verzichtet auf
alle Angriffe und belässt es bei gelegentlichen Artillerie-Feuerüberfällen.
Am 27. Mai ist die Ablösung zur Stelle, der Vormarsch wird fortgesetzt. Als Tagesziel hat die Division Slypskapelle befohlen,
jedoch schon in Courtrai wird die Abteilung angehalten: Gerüchte sprechen von einer baldigen Kapitulation der belgischen Armee.
Erst am 29. Mai, in den frühen Morgenstunden, wird die Lys bei Courtrai überschritten. Kriegsmäßig, aber ohne Feindberührung,
marschiert die Abteilung über Ledegham, Moorseele-Dadizeele nach Slypskapelle, von hier aus schon nach wenigen Stunden
Rast weiter nach Zonnebeke. Den äußeren Rahmen für diese Marschbewegung bildet die große Vernichtungsschlacht in Flandern,
die inzwischen begonnen hat und in deren Verlauf sich die Division zum Übergang über die Yser bereitstellen soll.
Der Kreis um die eingeschlossenen belgischen und englischen Truppen wird aber von Tag zu Tag enger; ein Teil der nach
der Schwenkung um Lille nachrückenden Divisionen wird für die endgültige Vernichtung des Gegners schon nicht mehr benötigt.
Zu ihnen gehört auch die 35. Infanterie-Division.
Und so verbleibt die AA 35 in Zonnebeke, für die nächsten Tage mit Gefangenen- und Beuteerfassung betraut und die einmalige
Gelegenheit nutzend, ihre Verluste an Waffen und Gerät, Pferden und Fahrzeugen aus Beutebeständen wieder zu ergänzen.
Die Abteilung ist danach mit Ausnahme des Panzerspähtrupps, dessen 3 Fahrzeuge sämtlich verloren gingen, wieder voll einsatzfähig.
Am l. Juni erhalten der Abteilungskommandeur Rittmeister von Puttkamer und Rittmeister Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg
im Divisionsstabsquartier Dadizeele das Eiserne Kreuz erster Klasse (EK I) aus der Hand des Divisionskommandeurs.
Damit ist der erste Teil des Westfeldzuges abgeschlossen. Der zweite Teil beginnt für die Abteilung schon am 2. Juni
und führt sie, in Belgien zunächst abschnittsweise mit mehreren Ruhetagen, später, in Frankreich dann, oft in Eilmärschen -
die Fahrradbeweglichen und mot.Teile auf den Straßen, die Reiter-Schwadron meist querbeet - durch ganz Nord-Frankreich
bis an die Loire. Die 35. Infanterie-Division ist während des ganzen Feldzuges dem OKH (Oberkommando des Heeres) unmittelbar
unterstellt und damit operative Reserve. Der Einsatz scheint oftmals nahe bevorzustehen, doch kommt es nie dazu; der
Widerstand des Gegners bricht allenthalben schnell zusammen. Es sind reine Marschleistungen, die gefordert werden:
bis zu 85 km an einem Tag, die auch von der Reiter-Schwadron praktisch ohne Ausfälle gemeistert werden.
Am 20. Juni trifft die Abteilung in Quiers bei Bellegarde, etwa 40 km nordostwärts Orleans, ein; dort wird sie angehalten.
In Quiers erreicht auch sie am 25. Juni die Nachricht von der Unterzeichnung des Waffenstillstandes durch Frankreich.
Durch die Wälder an der Loire mit den Überbleibseln einer geschlagenen Armee hallt sieghaft und doch gespenstig das
Signal "das Ganze Halt".
Die ganze Abteilung versammelt sich nochmals am 28. Juni im Park des Schlosses von Quiers zu einem Dankgottesdienst.
Wenig später ist sie schon wieder auf dem Marsch nordwärts, fast auf denselben Straßen, die man gekommen. Die ganze weite
Strecke geht es zurück, über die Seine, die Marne, die Aisne, die Oise: im Hennegau, in der Gegend ostwärts Maubeuge,
werde man sich, so heißt es, auf längere Zeit einzurichten haben. Doch schon eine knappe Woche später sieht sich die
Abteilung wieder unterwegs, unterwegs in altbekannte Gefilde: Tournai, Roubaix, Menin. Der Raum Dadizeele wird das endgültige Ziel.
Seit dem 10. Mai hat die Abteilung, teils in hartem Einsatz kämpfend, teils als Reserve nur marschierend, nahezu 1500 km
zurückgelegt. Das Kriegsglück war ihr hold gewesen. In vielen Lagen war sie dank ihrer Beweglichkeit größeren Verlusten
aus dem Wege gegangen. Aber auch im Verhältnis zu den großen kämpferischen Erfolgen und geforderten Marschleistungen
blieben die Verluste und Ausfälle denkbar gering.
Für besondere Kampfaufträge als Vorausabteilung durch die Division verstärkt, für die reine Aufklärungstätigkeit in ihrer
normalen Zusammensetzung, hat die Abteilung, der Division stets vorauseilend, ihre Aufgaben voll erfüllt und ihr Teil
zum siegreichen Abschluss im Westen beigetragen.
Kaum im endgültigen Unterkunftsbereich eingetroffen, beginnt mit größter Anstrengung die Vorbereitung für den besonderen Einsatz;
Es soll gegen Engelland gehen!
Von "Seelöwe" bis zum Beginn des Ostfeldzuges
Nach Beendigung des Westfeldzuges war der Krieg, nicht nur für die 35. Infanterie-Division (35. ID) in einen Schwebezustand getreten.
Ab dem 16. Juli 1940 liefen nun, auf Grund einer Weisung unter dem Decknamen "Seelöwe" jene Maßnahmen an, welche eine Landung
in England vorbereiten sollten.
Zunächst war befohlen, die Vorbereitungen bis zum 15. August zum Abschluss zu bringen. Für die 35. ID, welche im Raum um
Ypern, jenem flandrischen Gelände, das im 1. Weltkrieg so hart umkämpft war, Unterbringung bezogen hatte, war die Zeit der Ruhe nun vorbei.
Stäbe und Truppe gingen mit großem Nachdruck an die Durchführung eines sogenannten "amphibischen" Unternehmens heran, für dies
deutscherseits noch keinerlei Erfahrungen und vor allem auch keine Hilfsmittel vorhanden waren.
Alles mußte improvisiert werden.
Unter dem Befehl der Heeresgruppe A (Feldmarschall von Rundstedt) sollten zwei an der belgischen und französischen Küste
versammelten Armeen zur Landung bereitgestellt und eingesetzt werden. Die 35. ID, unter Befehl des der 16. Armee unterstellten
XIII. Armeekorps, zählte zu den 13 Divisionen der ersten Staffel, denen weitere 12 Divisionen folgen sollten. Die Division
bekam als Verladehafen den Hafen von Dünkürchen zugeteilt. Als Landestelle für die Division war die englische Flachküste
bei Ramsgate vorgesehen. Der Landetermin wurde mehrmals verschoben und mit Aufkommen der Herbststürme auf "unbestimmte Zeit" verschoben.
Die Division wurde danach von der Küste zurückgezogen und verlegte in den Raum um Courtrai als Winterquartier. Hier ereilte
der Division ein Befehl, dass die 35. Infanterie-Division ein Drittel ihres Bestandes in Form von geschlossenen Stäben und Einheiten
für die im Protektorat Böhmen und Mähren neu aufzustellende 101. leichte Division abgegeben werden mußte.
Das Winterhalbjahr 1940/41 war nun voll damit ausgefüllt, den aus der Heimat kommenden jungen Ersatz auszubilden und in die
Reihen der kampferprobten Division einzugliedern. Im Dezember 1940 übernahm Generalleutnant Fischer von Weikersthal die
Führung der Division (daher das Zeichen als "Fisch-Division").
Anfang April begann die Verlegung der Division nach Osten - ursprünglich war Unterbringung im Raum nördlich und ostwärts Warschau
vorgesehen - jedoch verlegte die Division nach Ostpreußen in den Raum um Johannisburg.
Ab dem 10. Juni 1941 liefen die Marschbewegungen der Division zur Verlegung in den "Suwalkizipfel" an -
das Unternehmen "Barbarossa" stand unmittelbar bevor -
ruhige Tage in Ostpreußen - blühende Tulpen - der Krieg stand unmittelbar bevor.
Links Oberleutnant Budenbender (z.Z. Abteilungs-Adjutant), rechts Führer Panzerspähzug (Name nicht bekannt)
Russlandfeldzug - Beginn 22. Juni 1941 - 3.15 Uhr
Stellenbesetzung:
Abteilungs-Kommandeur: Major Puttkamer, ab 7. Juli 1941 Rittmeister Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg,
Ludwig Ferdinand
Adjutant: Oberleutnant Budenbender, Hermann bis Dezember 1941; danach Leutnant Bacherer, Helmut
Durchbruch durch die Grenzbefestigungen und Kesselschlacht von Bialystok (22. bis 28. Juni 1941) -
die A.A. 35 ist im Bereich der Heeresgruppe Mitte eingesetzt und hier dem V. Korps unterstellt.
Bis Smolensk so gut wie keine Feindberührung! Kesselschlachten von Smolensk und Wjasma bis Schlacht um Moskau
(5. Dezember 1941).
6. Dezember - Rückzugskämpfe von Moskau in die Gshatskstellung (beim IX. Korps). Abwehrkämpfe in der Stellung von
Gshatsk (April 1942) bis zum Beginn der Büffelbewegung (2. März 1943).
Die Reiter-Schwadron aus den Aufklärungs-Abteilungen der Heeresgruppe Mitte werden ab Oktober/November 1942 aus den
bisherigen Aufklärungs-Abteilungen herausgezogen und im Raum von Smolensk gesammelt.
So auch die Reiter-Schwadron
der Aufklärungs-Abteilung 35 (1. /A.A. 35), welche nun mit ihrem Schwadrons-Chef (seit Ende Juli 1942) Rittmeister Dyckerhoff (Götz)
zur Neuaufstellung eines Reiter-Verbands aus der A.A. 35 ausschied.
Der bisherige Schwadrons-Chef der 1./A.A. 35, Rittmeister Budenbender (Dezember 1941 bis Juli 1942) übernahm nun im Spätsommer
als Abteilungs-Kommandeur die Schnelle-Abteilung (S.A.) 178 der 78. Infanterie-, späteren Sturm-Division.
Ab Anfang Oktober 1942 wird die Aufklärungs-Abteilung 35 (A.A. 35) in die
Radfahr-Abteilung 35 mit Stab und 3 Schwadronen umgegliedert.
Die Bezeichnungen bzw. die Gliederung der Abteilung bzw. des Bataillons ändert sich nun mehrere Male. So ist die Bezeichnung ab:
22. Oktober 1943 Füsilier-Bataillon 35 der 35. Infanterie-Division, ab
30. November 1943 Füsilier-Bataillon (A.A.) 35 der 35. Infanterie-Division - A.A. für Aufklärungs-Abteilung
wird aus Gründen der Tradition eingefügt - Bataillon erhält ab hier eine zusätzliche 4. Kompanie
und ab 10. März 1944 bis zum 8. Mai 1945 Divisions-Füsilier-Bataillon (A.A.) 35 der 35. Infanterie-Division
Vom 20. Juli 1944 bis 6. Mai 1945 Einsätze der Division im Narew-Bogen und bei der Schlacht um Ostpreußen.
Am 9. Mai 1945 gehen 604 Angehörige der "Marschgruppe Dieterich" der 35. Infanterie-Division, darunter 341 Angehöriger
des Div.Füs.Btl. (A.A.) 35, 210 Soldaten des Pi.Btl. 35 mit Rest Versorgungstruppen in Schiewenhorst in russische
Gefangenschaft.
Rittmeister (ab 1.11.1944) Dieterich war mit Bestallung Mai 1945 letzter Kommandeur des Div.Füs.Btl. (A.A. 35),
Eintritt in das Heer am 4. April 1934 in die 2. Eskadron des Reiter-Regiment 18 in Stuttgart-Bad Cannstatt!
Feldpost-Nummern seit Kriegsbeginn:
Stab: 15 076; 1.Reiter-Schwadron bis Januar 1943: 17 936; 1. Kompanie ab November 1943: 59301; 2. Schwadron/Kompanie:
28 098; 3. Schwadron/Kompanie: 08 510; 4. Kompanie ab Dezember 1943: 56 642.
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